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Manipulierte Medien – Bild Dir Deine (politische) Meinung!


„Reality is often disappointing. That is, it was. Now, reality can be whatever I want.“[1]
Thanos

Auch wenn Thanos aus dem Film „Avengers: Infinity War“ sicherlich auf etwas ganz anderes anspielt[2], beschreibt das obige Zitat die momentane Situation im Bereich der Bild- und Videomanipulation besonders gut. Beispiel gefällig? Was meinen Sie: Sind diese Personen real?
Gesicht einer Person Bildrechte: Tero Karras
Gesicht einer Person Bildrechte: Tero Karras
Gesicht einer Person Bildrechte: Tero Karras

Keineswegs! Auch wenn die abgebildeten Personen wie reale Menschen aussehen, handelt es sich bei ihnen sämtlich um digital erzeugte ‚Kunstwesen‘. Am Beispiel dieser fiktiven, von einem Algorithmus errechneten Personen[3] wird deutlich, dass es auch für technisch nicht besonders versierte Menschen erstaunlich einfach ist, Bilder und Videos zu manipulieren. Geschickten Nutzer_innen ermöglichen Softwareprogramme und soziale Medien das Kreieren ganz eigener Fakten und Wirklichkeiten. Vermehrt nutzen auch Politiker_innen diese Möglichkeiten für ihre Zwecke, vor allem in Wahlkampfzeiten. Doch wie gefährlich sind manipulierte Bilder/Videos für die politische Meinungsbildung? Wie verändert Manipulation die Kommunikation zwischen Politiker_innen und Bürger_innen? Und was bedeutet das für die politische Bildung?

Politische Meinungsbildung – wer glaubt wem?

Demokratie lebt nicht nur von vielen unterschiedlichen Meinungen, sie ist gewissermaßen „institutionalisierte[r] Streit“ (Dahrendorf). Voraussetzung für einen solchen demokratischen Streit ist es, sich frei eine Meinung zu relevanten politischen Fragen bilden zu können. Nur so ist eine freie und – im Sinne von Kant – mündige Teilnahme an politischen Diskursen möglich. Eine wichtige Grundlage für die Meinungsbildung stellen die unterschiedlichen medialen Informationsquellen wie Zeitungen oder Online-Portale dar. Sie beeinflussen die politischen Handlungen der Menschen, also bspw. ihre Wahlentscheidungen. Dies kann – zu Ende gedacht – zur Folge haben, dass nicht die Partei, welche angemessene Antworten auf akute Fragen bietet, an Zustimmung gewinnt, sondern jene, die am geschicktesten Bilder und Videos und damit eine Meinungsbildung in ihrem Sinne manipulieren kann. Somit ist die Qualität und Authentizität der Informationen, auf denen die Meinungsbildung basiert, von entscheidender Bedeutung – denn sie kann sich auf Wahlentscheidungen und damit letztlich auf Regierungsbildungen auswirken.

Demokratischer Streit ist darüber hinaus nur dann möglich, wenn wir die Argumentationsgrundlage Andersdenkender als legitim und authentisch einschätzen. Wenn aber Bilder und Videos manipuliert sein können und nur scheinbar wahre Informationen enthalten, wir also die Ehrlichkeit der Gegenposition infrage stellen, fehlt diese grundsätzliche Sicherheit.

Alles nur noch Fake News?

Aufgedeckte Manipulationen zulasten der Bürger_innen reduzieren zudem das Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie.[4] Diesen Zusammenhang machen sich auch Populist_innen, vor allem aus dem rechten Spektrum, zunutze. Da jedes Bild gefälscht werden kann und manche tatsächliche Manipulation aufgedeckt wurde, versuchen Populist_innen, Bilder als Fake News der sogenannten „Lügenpresse“ unter eine Art Generalverdacht zu stellen. Indem sie suggerieren, dass nur die eigenen Bilder echt seien und nur die eigenen Aussagen gefahrlos geglaubt werden könnten, versuchen sie, zumindest bei ihren Anhänger_innen eine Art Glaubwürdigkeitsmonopol zu schaffen. Und weil kritisches Denken und Reflektieren Aufwand und Zeit kosten, ist es verlockend, dieses Angebot der Populist_innen anzunehmen.

Optische Täuschung Bildrechte: IStock.com/slavemotion [M]

Gefahren durch soziale Medien – alle manipulieren, alle werden manipuliert

Besonders die sozialen Medien erfüllen bei der Bildkommunikation eine bedeutsame Funktion. Durch die hohe Frequenz von Inhalten muss die Aufmerksamkeit der Leser_innen mühevoll immer wieder neu gewonnen werden; Bilder sind hierfür prädestiniert. Zudem bieten die sozialen Medien die Möglichkeit, einen direkten Kontakt zwischen Politiker_innen und Bürger_innen herzustellen. Via Bildkommunikation in den sozialen Medien Wähler_innen zu gewinnen bzw. Anhänger_innen zu binden: Dieses Mittel nutzen gerade politische Akteur_innen jeglicher Couleur gerne und häufig – und mitunter werden auch hierbei die verbreiteten Bilder zum eigenen Vorteil „gestaltet“, sprich manipuliert. Manipulierte Bilder geraten dadurch ohne journalistischen Filter, doch mit einem hohen Wahrheitsanspruch an die einzelnen Endnutzer_innen.

Das Phänomen beim Namen nennen – moderne Propaganda

Zu beobachten ist dieses Verhalten in großem Stil bei autoritären Regimen wie dem Iran – man denke z.B. an von Seraph News in Pressemitteilungen hinzugefügte Raketen.[5] Im kleineren Stile finden sich solche Manipulationen auch in den USA bei der Trump-Regierung – bspw. wurde durch einen geänderten Bildausschnitt eine sehr viel höhere Teilnehmer_innenanzahl bei Trumps Amtseinführung suggeriert.[6] Auch wenn es sich hierbei um vermeintlich kleine „Optimierungen“ handelt, verzerren diese Bilder die Wirklichkeit zugunsten der Interessen der_des Manipulierenden bzw. der dargestellten Person.

Zuweilen geht der Einsatz von (manipulierten) Bildern oder Videos weit über die Kommunikation mit (potenziellen) Wähler_innen hinaus: Rechtsextreme Netzwerke, z.B. Reconquista Germanica,[7] setzen Bildmanipulationen gezielt ein, um politische Gegner_innen zu diskreditieren. Zur Landtagswahl in Bayern 2018 geisterten bspw. gefälschte Bilder der Spitzenkandidatin der Grünen, Katharina Schulze, auf denen sie einen Hitler-Gruß zeigen soll, auch durch rechte Netzwerke.[8] Dabei machen sich die Akteur_innen zunutze, dass die aktuelle Rechtslage zu Bildmanipulation komplex ist und das Recht auf freie Meinungsäußerung z.B. in Form von Satire auf der einen Seite und die Persönlichkeitsrechte der dargestellten Personen auf der anderen Seite zum Ausgleich gebracht werden müssen.[9] Und so steht der großen Stärke von sozialen Netzwerken, nämlich ihren offenen Kommunikationswegen, das Problem gegenüber, dass Veröffentlichungen dort – im Gegensatz zu journalistischen Werken – bis heute (noch) keinem Verhaltenskodex unterliegen.

Die Rolle des Journalismus – lost in Navigation

Vor der digitalen Ära war es gemäß der Gatekeeper-Theorie die Aufgabe von Journalist_innen, wie Torwächter_innen nur relevante und wahrheitsgetreue Informationen an die Leser_innen weiterzugeben. Der_Die Torwache von damals hat sich heute allerdings zu einem „Navigator auf einem Meer aus Meldungen und Meinungen“[10] weiterentwickelt. Ohne eine kritische Einordnung aber ist es für die Nutzenden aufgrund der schieren Masse an Bildern und Videos schwierig, zwischen authentischen, d.h. „echten“, und manipulierten Bildern zu unterscheiden.

Warum wir politische Medienkompetenz brauchen

Bis vor Kurzem hielten sich die Möglichkeiten, Bilder zu retuschieren und zu manipulieren, noch in Grenzen. Mit den neuen technischen Möglichkeiten – die allen ermöglichen, jedes Bild und jedes Video zu manipulieren – ergeben sich jedoch auch völlig neue Herausforderungen für die politische Bildung. So erscheint es zwingend notwendig, für die Möglichkeiten von Manipulation zu sensibilisieren, zu einer kritischen Betrachtungsweise zu motivieren und Erkennungstechniken zu vermitteln. Denn: Bildmanipulationen finden – wie gezeigt – aus vielerlei Gründen, durch unterschiedliche Akteur_innen und in zahlreichen Variationen statt und haben vielfältige Auswirkungen auf das demokratische Zusammenleben. Daher gilt es, ihnen im Rahmen der Vermittlung von politischer Medienkompetenz auf die Spur zu kommen, die Nutzer_innen auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen und ihr, wenn möglich, entgegenzuwirken.




[1] Russo, Anthony/Russo, Joe: Avengers: Infinity War, Marvel Studios, USA 2018.

[2] Der Marvel-Schurke Thanos kann im Film „Avengers: Infinity War“ die Realität verändern, nachdem er alle „Infinity Steine“ gesammelt hat.

[3] Diese Computer generierten Bilder sind Teil der Forschungsarbeit von Tero Karras, Samuli Laine und Timo Aila: A Style-Based Generator Architecture for Generative Adversarial Network. URL: https://www.youtube.com/watch?v=kSLJriaOumA&feature=youtu.be [eingesehen am 13.02.2020]

[4] Vgl. Zintl, Florian: Clickbait oder seriöse Information, Algorithmus oder Journalismus? Chancen und Risiken des digitalen Journalismus; in: Steinbrecher, Michael/Rager, Günther (Hg.): Meinung – Macht – Manipulation. Journalismus auf dem Prüfstand, Bonn 2017, S. 141–155, hier S. 148.

[5] Vgl. Hanfeld, Michael: Eine Rakete zu viel, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.07.2008, URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/bildmanipulation-in-iran-eine-rakete-zu-viel-1665517.html, [eingesehen am 24.06.2019].

[6] Vgl. Swaine, John: Trump inauguration crowd photos were edited after he intervened, in: The Guardian, 06.09.2018, URL: https://www.theguardian.com/world/2018/sep/06/donald-trump-inauguration-crowd-size-photos-edited [eingesehen am 24.06.2019].

[7] Vgl. Ebner, Julia: Forscherin schleust sich bei Hasskommentatoren ein – und erlebt Erschreckendes, in: Focus Online, 06.03.2018, URL: https://www.focus.de/politik/experten/gastbeitrag-von-julia-ebner-hass-auf-knopfdruck-wenn-die-verbreitung-von-hass-computerspiel-charakter-bekommt_id_8554382.html [eingesehen am 17.07.2019].

[8] Vgl. Institute for Strategic Dialogue: The Battle for Bavaria. Online information campaigns in the 2018 Bavarian State Election, London 2019, S. 18

[9] Vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.07.2019 – I ZR 9/15.

[10] Thobe, Elisabeth: Nur noch kurz die Welt retten – Journalismus in der Demokratie, in: Steinbrecher, Michael/Rager, Günther (Hg.): Meinung – Macht – Manipulation. Journalismus auf dem Prüfstand, Bonn 2017, S. 23–34, hier S. 29.


Autor: Alexander Steding

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