Interview mit der "Fake It To Make It"-Entwicklerin Amanda Warner
Die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung hat das Online-Game "Fake It To Make It" gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung ins Deutsche übersetzen lassen und stellt weitere Materialien zum Einsatz des Games in der politischen Bildung zur Verfügung.
Wir haben die Entwicklerin des Games, Amanda Warner, gefragt, was sie motiviert hat, das Spiel zu entwickeln. Im Interview berichtet sie auch über mögliche Lerneffekte und warum Games im Bereich Fake News aus ihrer Sicht eine besonders gut geeignete Methode sind.
Interview mit Amanda Warner
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Wir haben die Entwicklerin des Games, Amanda Warner, gefragt, was sie motiviert hat, das Spiel zu entwickeln. Im Interview berichtet sie auch über mögliche Lerneffekte und warum Games im Bereich Fake News aus ihrer Sicht eine besonders gut geeignete Methode sind.
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Das gesamte Interview zum Nachlesen
Warum das Thema Fake News?
Ich war nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen sehr erschüttert. Besonders deprimiert war ich über die Menge an falschen Informationen, die währenddessen im Internet kursierten. Ich glaube zwar nicht, dass Fake News notwendigerweise zu Trumps Wahlsieg geführt haben, aber sie haben ihn sicher nicht verhindert. Deshalb habe ich beschlossen etwas zu tun und habe begonnen, ein Spiel über Fake News zu entwickeln.
So, I was pretty depressed after the US-presidential election in 2016. And very particularly depressed about the amount of fake information that I saw sort of swirling around on the internet leading up to it. And I don't think Fake News necessarily caused Trump to win, but it certainly didn't help. And so I decided I wanted to do something and so I ended up making a game about Fake News because of that.
Warum das Format Computerspiel?
Ich arbeite in der Spielentwicklung, aber vor allem in der Lernentwicklung. Das ist das, wofür ich tatsächlich bezahlt werde. Die meisten Spiele, die ich entwickle, entstehen weil ich denke: „Das hört sich cool an. Ich will an diesem Projekt arbeiten.” In diesem Fall fand ich ein Spiel passend, weil Fake News ein System bilden - die Art und Weise, wie sie sich verbreiten und wie sich Nachrichten generell online verbreiten. Mit einem Spiel können Menschen experimentieren, Dinge ausprobieren und Feedback bekommen. Deshalb erschien mir ein Spiel sehr passend, um ein tieferes Verständnis für das Thema zu erhalten. Ich dachte: “Genau, das mache ich!”
First of all I do some game development, I do a lot of learning development – so that's my primary thing that people actually pay me for. Most of the games I design are just because I'm like - “This sounds cool. I want to work on this project.” So I think that a game in this case was a good fit because Fake News, in the way it's distributed, in the way things are distributed online in general is like very much a system. And so it's something that people can experiment with, and try things and get feedback. So a game seemed like such a good fit to get a deeper understanding of the topic. I was like: “Ya, let's go for it.”
Welche Möglichkeiten bietet ein Spiel für die Zielgruppe?
Definitiv den praktischen Teil. Ich finde es sehr langweilig, nur eine Präsentation darüber anzugucken, wie sich Fake News verbreiten. Ich wollte nichts Langweiliges, an das sich die Menschen später nicht mehr erinnern können, sondern etwas, in dem sie herumstöbern können. Es ist wie ein virtuelles System und sie denken: „Okay, ich kann diesen Artikel mit einer politisch andersdenkenden Gruppe teilen. Mal schauen was passiert.“ Oder ich versuche einen Artikel mit Leuten zu teilen, von dem ich weiß, dass diese Leute ihn mögen werden. Mal schauen was damit passiert. So können sie das Feedback und die Reaktionen tatsächlich sehen. Sie verbringen viel mehr Zeit mit dem Thema, als wenn sie sich nur eine Präsentation darüber ansehen würden. Deswegen passt ein Spiel in diesem Fall so gut. Ich bin generell ein großer Fan des spielbasierten Lernens. Immer wenn es um ein System geht, kann man sehr gut ein Spiel darum bauen und die Menschen damit spielen lassen.
Definitely the more experiential part of it. I think that it could be pretty boring to just like watch a presentation about how fake news is distributed and so in this case instead of it being something thats boring and people are unlikely to remember its something again that they can sort of poke at. It's like a virtual system that they're like “Okay, I can try distributing this like article to like a politically hostile group and let's see what happens.” Or let me try distributing this article that people I know they are gonna really like to these people and see what happens with that. And so they can really see the feedback and reaction. They spend so much more time I think with the topic than they would if there were just a presentation. So that's why I think it is a great fit in this case. I'm very much a fan of game based learning in general. I think anytime it's a system it just works so well to build a game around it and let people play with it.
Werden Spiele als einfacher Zugang zur Zielgruppe und zum Thema genutzt?
Zu diesem speziellen Thema wird das gemacht. Es gibt Spiele, in denen du entscheiden kannst: „Dieser Artikel ist fake oder dieser Artikel ist kein fake.” Da nähert man sich mehr aus der Perspektive des Fakten checkens an. Ich glaube, diese Spiele erreichen einen nicht besonders tiefgreifend. Sie sind nicht sehr informativ, die Menschen können das Gelernte nur schwer behalten und nicht später anwenden. Deswegen bin ich diesen Spielen gegenüber skeptisch. Ich denke, sie haben ihre Berechtigung, aber [Fake It To Make It] ist in diesem Gebiet, soweit ich weiß, einzigartig. Es geht sehr viel weiter in die Tiefe. Es gibt kein anderes Spiel über Fake News, das das mit diesem Thema tut.
I think that it is being done on this particular topic, there's games where you say “This article is fake or this article is not fake.” So you go out for more of a fact checking side. I don't think that those ones get you terribly in depth. I don't think that they provide like as much information, I don't think that people can necessarily then take that information and use it later. And so I'm a little sceptical of those games. I think that they have their place, but I think that this is maybe unique in this space and it is that much more in depth look at it – as far as I know. There is no other fake news games that go into depth in this topic.
Was ist der Lerneffekt von Fake It To Make It?
Der Lerneffekt ist herauszufinden, wie Fake News erschaffen und verbreitet werden. Hoffentlich werden die Menschen in Zukunft auch skeptischer bei dem sein, was sie online sehen. Auf einer höheren Ebene thematisiert es auch, wie Menschen mit dem Internet Geld verdienen können. Also Werbung und Einnahmequellen. Ich denke, dass Menschen auch Clickbait besser verstehen werden und wie sie durch Soziale Netzwerke monetarisiert werden, indem Menschen Werbung auf ihren Seiten schalten. Dieses Verstehen ist wichtig, denn wenn du nicht weißt, wie das Internet funktioniert, wirst du nicht verstehen, warum Menschen dir etwas erzählen, oder warum sich Menschen nur auf bestimmte Aspekte konzentrieren. Ich denke, das gehört zur allgemeinen Digitalkompetenz – über Motive nachzudenken und wer versucht, dich in deinem Handeln zu beeinflussen.
That probably to serve this level, the learning value is learning about how fake news is created and distributed and hopefully knowing enough that people will be more skeptical of what they see online in the future. But I think it also sort of addresses at a higher level like just how the internet is profitable for people. So it talks about like: adds, and revenue streams and so I think that people might also start to understand clickbait better and understand how they are being monetized by social media networks and by these people, who are putting the ads on their sites. And I think understanding that is valuable because if you don't know how the internet works, you don't understand why people might be telling you something or why people might be focusing on a particular aspect. So I think it's digital literacy in general just thinking about motivations and who is trying to influence you in your behavior.
Wer spielt Fake It To Make It?
Das ist schwer zu sagen. Ich weiß, wie viele Menschen das Spiel spielen und woher sie kommen, aber nicht wie alt sie sind. Ich bekomme aber viele E-Mails von Lehrkräften, die das Spiel in ihrer Klasse anwenden. Das sind die Menschen, die mich am besten kennen, deswegen ist es vielleicht nicht die Hauptnutzung des Spiels, aber ein großer Teil der Nutzung. In den Klassen spielen die Schüler_innen es häufig als Hausaufgabe oder in der Schule, um im Anschluss darüber zu diskutieren. „Okay, was hat funktioniert und was nicht? Warum denkt ihr ist das so? Warum glaubt ihr zeigt das, wie Fake News funktionieren?“ Das ist großartig zu hören. Ich hatte keine Hauptzielgruppe, als ich das Spiel entwickelt habe. Es war einfach ein Projekt, weil ich deprimiert war und etwas tun wollte. Aber Schüler_innen [1] sind vermutlich zur Hauptzielgruppe geworden und ich finde, das ergibt Sinn. Schüler_innen sind jung genug, um nicht politisch voreingenommen zu sein. Sie sind empfänglicher dafür, neue Methoden kennen zu lernen und anzuwenden. Im Gegensatz dazu denke ich, dass vielleicht 50-Jährige mit sehr starken Überzeugungen, schwieriger zu beeinflussen sind. Auch wenn sie die Fähigkeiten haben, weiß ich nicht, ob sie nach dem Spiel sagen würden: „Ja, das sind Fake News.“ Denn vielleicht wollen sie weiter an das glauben, was sie sehen. Ich weiß nicht, wie man dieses Problem löst. Ich wünschte ich wüsste es. Aber ich glaube, wir sollten uns auf Schüler_innen konzentrieren.
It's hard for me to tell. So I can tell like how many people are using the game and where they are coming from, but I can't really tell things like how old they are. I do get lots of E-Mails from teachers though who are using the game in their classroom and so those are the people who e-mail me the most so based on that I would say I think that is probably – I don't know if it's the primary use of the game – but it's a large use of the game. It's in classrooms a lot of times, they’d either have the students play it as homework or they will have them play it in class and then have a discussion afterwards like “Okay, what worked, what didn't? Like, why do you think that is the case? Like, how do you think this reflects how fake news works.” That's cool, that's great to hear and I don't know that I really had a primary audience when I was developing it because again, it was just this project like “I'm depressed, I want to do something”. But I think students have really come out probably as the primary audience and I think that makes sense. Students are young enough that they are not politically entrenched like in a particular view and so I think that they are going to be more receptive to learning about these techniques and utilizing them. Whereas I think maybe 50-year-olds who maybe hold very strong believes would be harder to sway with this. So even if they had these skills I don't know that would go out of it like “Yes, this is fake news.” Because they really might ,wanna still believe what they’re seeing and that's something I don't know how to solve that problem, I wish I did, but I think students are probably the place to focus.
Erfordert eine digitale politische Welt auch eine digitale politische Bildung?
Das ist sehr wichtig. Praktisches Lernen und der Einsatz von digitalen Tools sind eine gute Möglichkeit, um das zu stärken und digitale Kompetenzen sind super wichtig. Ich finde nicht, dass digitale Kompetenzen ausschließlich online vermittelt werden müssen. Darüber kann man auch sehr gut im Klassenzimmer diskutieren. Ich denke nicht, dass alles digital sein muss, Bildung komplett digital sein muss, aber das Thema selbst muss es sein. Die Menschen verbringen so viel Zeit online, viele beziehen ihre Nachrichten aus ihren Social Media Feeds. Wenn sie dieses “Ökosystem” nicht verstehen, ist das höchst gefährlich. Nicht nur für sie, sondern auch für die Demokratie. Aus dem Grund ist digitale Bildung super wichtig.
It's really important – I think that experiential learning is important and I think digital tools is a really good way to enable that and I think that digital literacy is super important. I don't think digital literacy has to be delivered online. So I think you can have some really good discussions about it in the classroom and that's something that can absolutely happen. I wouldn't say that everything has to be digital, all the education has to be digital, but I think the topic itself absolutely. I mean this is, people are spending so much time online they're getting like, a lot of people get their news from their social media feeds. So if they don't understand sort of this ecosystem I mean that's super dangerous. I think for them and for democracy. So I think digital education is super important for that reason.
Hilft “Fake It To Make It” zwischen fake und nicht fake zu unterscheiden?
Ja, das hoffe ich. Es bringt ihnen nicht unbedingt bei, was genau richtig und was falsch ist. Stattdessen soll es ihnen zeigen, dass es im Internet auch Parallelwelten gibt, in denen Menschen sich einfach Dinge ausdenken und sie wahr erscheinen lassen können. Das vermittelt eine grundlegende Skepsis. Es bringt sie dazu, ihren eigenen Faktencheck durchzuführen, ihre Quellen in Frage zu stellen und ihre Nachrichten nicht aus den Sozialen Medien zu beziehen. Das wäre am Besten. Ich glaube, es ist kein Spiel, das einem direkt zeigt, was real ist und was nicht, sondern das Menschen auf den Weg zum kritischen Denken bringt. “Wer könnte mich damit beeinflussen wollen? Warum? Wie kann ich kritischer damit umgehen?”
Yes, I hope so. I mean, it doesn't necessarily teach them like this is right and this is wrong but I think it shows them that there is sort of this alternate world out there where people can make things up very easily and make them look real and so it sort of gives them that base level of scepticism that then they would be more interested in going and doing their own fact checking and considering their sources and maybe not getting their news from social media. I think that would be the best thing. I think it's not so much maybe a direct teaching tool of like what's real and what's not but it helps develop this critical thinking path of people actually thinking about “Who might be trying to influence me? Why? How can I be more sceptical of this?”
Wir sollten Jugendlichen also vor allem kritisches Denken beibringen?
Absolut! Ohne kritisches Denken ist unsere Welt gerade sehr komplex und verwirrend. Wenn Kinder nicht selbstständig kritisch denken können, werden sie darauf nicht vorbereitet sein.
Yes, absolutely, I mean, without that it's just a very complex, confusing world right now. I think if they can not critically think for themselves, they are not going to be prepared for it.
Wer hat Fake It To Make It gespielt, als es nur auf Englisch spielbar war?
Die englische Version wurde seit dem Start im März insgesamt 90.000 Mal gespielt. Davon waren 32.000 aus den USA. Das Land mit den zweithöchsten Aufrufen war tatsächlich Deutschland. Sogar ohne, dass es eine deutsche Version gab. Das sind die Zahlen für die englische Version – da gab es über 10.000 Aufrufe aus Deutschland. Damals wurde ich schon nach Interviews gefragt, Menschen wollten mehr über das Spiel erfahren, das waren Deutsche Journalist_innen. Ich bin nicht sicher, warum es so erfolgreich ist, aber in Deutschland ist es das jedenfalls.
Yes, so for the English version, so far since its launch last march there have been 90.000 sessions total of the game. I know, it's a lot, it was surprising. So about 32.000 of those were from the United States and then the country with the second highest use was actually Germany. So even without having the German version available. So this is only for the English version – there have been over 10.000 sessions from Germany. That was actually when people first started contacting me for interviews about it and wanted to know more about the game – it was like from Germany, German journalists. I'm not sure exactly what, sort of, it hit a sensitve note, and like a needed topic, but I think it really did for Germany.
Was haben Jugendliche zu dem Spiel gesagt?
Von Lehrer_innen habe ich gehört, dass es ihnen sehr viel Spaß macht. Es ist nicht so, als ob man sich einen Vortrag über Fake News anhört. Sie können Dinge ausprobieren und schauen was passiert. Ich denke, es ist auch ein lustiges Spiel an manchen Stellen. Das wird ihnen Spaß gemacht haben. Ich habe nicht direkt mit Schüler_innen gesprochen, die es gespielt haben. Aber eine Person sagte, dass die Schüler_innen total begeistert waren. Ich glaube, weil es anders ist. Es ist ein Spiel, aber es vermittelt trotzdem noch eine Botschaft. Ich glaube, das war auch für die Lehrkraft eine tolle Erfahrung.
From what teachers have said they really enjoy it, so I mean it's not just like listening to some presentation about fake news. They get to try things and see if things happen and I think it's a funny game, I would say in some ways. I think that they really enjoyed it. I mean I haven't talked directly with any of the students who have played it, so this is all from teachers, but I think one person said that their students were like universally thrilled with the assignment. I think because it's different, because it's a game but it's still getting the message across. I think they too enjoyed the experience.
[1] Anmerkung der Redaktion: Sprache formt unsere Wirklichkeit – deshalb nutzt die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (LpB) gendergerechte Sprache. Wenn wir über Menschen schreiben, möchten wir verdeutlichen, dass alle gemeint sind. Mehr dazu hier.
Amanda Warner
gestaltet und entwickelt Games, Seminare und andere interaktive Erfahrungswelten, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen beschäftigen. Sie arbeitet freischaffend und in Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen. Aktuell befasst sie sich hauptsächlich mit den Themen digitale Kompetenzen, Katastrophenschutz und medizinische Versorgung.
Begleitmaterial zu Fake It To Make It
Artikel-Informationen
Ansprechpartner/in:
Frau Dr. Daniela Kallinich
Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung
Georgsplatz 18/19
30159 Hannover
Tel: 0511 1207503